„Der Landtag hat in der Plenartagung vom 8. Oktober 2014 über die Reform der Landesverfassung in zweiter Lesung beraten. Die Frage, ob dabei in die Präambel ein Gottesbezug aufgenommen werden soll, ist bereits damals der wichtigste Punkt gewesen, in dem die Meinungen auseinander gingen. Diese Debatte ist in großem Respekt geführt worden, und alle Abgeordneten haben ihre Entscheidung in einer freien Gewissensentscheidung getroffen. Nachdem die seinerzeit hierzu vorgeschlagenen Formulierungen abgelehnt wurden, hat dann eine Volksinitiative das Thema erneut aufgegriffen. So befasst sich der Landtag heute abermals mit dieser Frage, und es gibt – im vorliegenden Gesetzentwurf – einen neuen Formulierungsvorschlag.
Auch dieser Entwurf hat in der FDP-Fraktion keine andere Aufnahme gefunden, als dies vor anderthalb Jahren der Fall gewesen ist. Einer unserer Kollegen, Oliver Kumbartzky, hat den neuen Vorschlag mit unterzeichnet. Die anderen fünf FDP-Abgeordneten sehen keinen Grund, heute anders zu entscheiden als im Oktober 2014.
Einen Konsens können wir uns vorstellen, wenn man von Text ausginge, der in der Präambel des Entwurfs für einen Verfassungsvertrag der Europäischen Union steht. Diese Verfassung für Europa ist bekanntlich seinerzeit nicht zustande gekommen, weil sie bei Volksabstimmungen in zwei Mitgliedsstaaten der EU keine Mehrheit gefunden hat.
Die Präambel dieses Entwurfs bezog sich auf das ‚kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas‘, ‚aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben‘.
Die Befürworter der Volksinitiative haben dies jedoch als für sie nicht ausreichend erachtet – vor allem deshalb, weil hier der von ihnen gewünschte Gottesbezug nicht explizit genannt wird.
Wenn dies so gesehen wird, so ist dies selbstverständlich zu respektieren, aber ich möchte für meine Fraktion auch feststellen: Die Formulierung aus dem europäischen Verfassungsvertragsentwurf umschließt sehr wohl auch den Respekt gegenüber allen Menschen, die sich in ihrem Leben von einem religiösen Glauben an Gott leiten lassen, sei er nun christlich geprägt oder durch eine andere Weltreligion.
Jede Volksinitiative kann und soll selbstverständlich selbst festlegen, was sie zum Gegenstand ihrer Unterschriftensammlung erklärt. In diesem Falle hat die Initiative es dem Landesparlament aber nicht gerade leicht gemacht, sondern uns eher eine schwierige Situation beschert. Nach dem Wortlaut des Unterschriftsbogens wird der Landtag ohne konkrete Angabe eines Textvorschlages aufgefordert, in die Präambel der Landesverfassung einen Gottesbezug aufzunehmen.
Faktisch ist das ein politischer Appell ohne Angabe einer konkreten Formulierung, oder anders gesagt: Es ist ein Appell an Abgeordnete, etwas, das sie bereits einmal in freier Gewissensentscheidung verworfen haben, in einer wie auch immer gearteten Formulierung nun doch zu beschließen, und sich dazu den genauen Wortlaut auch noch selbst auszudenken.
Erschwerend kommt – jedenfalls aus meiner persönlichen Sicht – noch hinzu, dass bereits die bestehende, im Oktober 2014 beschlossene Präambel nicht unbedingt zu den Meisterwerken politischer Formulierungskunst bei Verfassungstexten gerechnet werden kann.
Und der Ergänzungsvorschlag, der uns nun heute zur Beratung vorliegt, macht dies leider auch nicht unbedingt besser – wiederum nach meinem persönlichen Empfinden, und bei allem gebührenden Respekt gegenüber den Antragstellern.
Abschließend möchte ich außerdem noch folgendes zu bedenken geben: Ein Verfassungstext sollte möglichst so formuliert sein, dass er den Volkssouverän, die Bürgerinnen und Bürger, eint.
Dies kann nach meiner Überzeugung der vorhin wiedergegebene Text aus dem europäischen Verfassungsvertrag bewirken, nicht aber eine Formulierung, die erkennbar – nach vielen öffentlich dargelegten Bekundungen aus den letzten Wochen und Monaten – strittig ist und aller Wahrscheinlichkeit nach auch weiter strittig bleiben wird.
Nicht zuletzt deshalb kann ich den neuen Vorschlag zu einem ‚Gottesbezug‘ in der Präambel unserer Landesverfassung auch nach erneuter Prüfung und Überlegung nicht befürworten.“